top of page

Not Kissing the Wall (Kapitel 1)

  • cassidycane93
  • 5. Juli 2024
  • 7 Min. Lesezeit

Kai

»... und was können wir in zwei Wochen, beim großen Preis von Österreich von dir erwarten?«

Die Journalisten kommen und gehen, doch die Fragen bleiben mehr oder weniger die Gleichen. Dennoch bemühe ich mich, nicht so gelangweilt zu wirken, auch wenn das bedeutet, dass ich mir in den nächsten Interviews mehrmals ein Gähnen unterdrücken muss.

»Hoffentlich ein weiteres spannendes, sehenswertes und vor allem siegreiches Wochenende«, entgegne ich. Um nicht so steif und roboterhaft zu wirken, als wäre ich einem Media-Training-Buch entsprungen, verlagere ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere, stemme meine Hand in die Seite und lächele die Reporterin frech an. »Wirst du beim Rennen sein?«

»Natürlich. Und hoffentlich -«

»- dann wirst du ja vielleicht zu meinem Glücksbringer, huh? Letztes Jahr lief es in Österreich nicht wie gewünscht. Doch ich bin optimistisch, dass wir es dieses Mal schaffen und auf der vorgegebenen Strecke bleiben.«

Die Journalistin lacht. Ihre Wangen haben sich bei meinen Worten eine Nuance dunkler gefärbt - wie von mir gewollt.

»Nichts lieber als das, Kai.«

Erneut lächele ich. Mein Gegenüber scheint einen Moment zu brauchen, um wieder zu dem Wesentlichen zurückzufinden.

»Wie wirst du deinen heutigen Triumph genießen? Hab gehört, man kann hier in Deutschland gut feiern und wenn ich mich nicht irre, dann hab ich Romina Rajek vorhin in der Nähe der Aurelia Quartiere gesehen? Konnte sie dir schon zum Sieg gratulieren?«

Ich wünschte, sie hätte mich nicht zwischen den Zeilen nach meiner Ex-Freundin gefragt, denn dadurch hat sie bei mir augenblicklich an Sympathiepunkten verloren.

Schade.

»Hier laufen sehr viele Menschen herum. Ich hab schon Mühe, mein eigenes Team zu finden«, weiche ich ihrer Frage aus und werfe einen Blick zu Helena, deren Gesichtsausdruck sich bei der letzten Äußerung verdüstert hat. Doch Helena wäre nicht Helena, wenn sie mich nicht gekonnt aus eben diesen Situationen rauslotsen könnte. Sie drückt mir meine Flasche in die Hand, damit ich meinen Wasserhaushalt wieder auffüllen und vor allem einer weiteren Frage ausweichen kann. Keine zehn Sekunden später schiebt sie den nächsten Journalisten zu mir.

Diese Hektik an Rennwochenenden ist normal. Doch für gewöhnlich verabschiede ich mich von jedem Einzelnen meiner Interviewpartner. Dieses Mal jedoch liegt meine Konzentration voll und ganz auf dem Trinkschlauch, der noch immer zwischen meinen Lippen liegt.

Ich ziehe ihn erst weg, als der nächste Reporter die erste Frage an mich richtet.

»Denkst du, es hat dir beim Sieg geholfen, dass das Rennen für kurze Zeit unterbrochen werden musste?«

*

»Kai, bevor du gehst. Noch ein Wort?«

Nachdem ich mir die letzte Stunde den Mund fusselig geredet habe und endlich, endlich meinen Heimweg antreten kann, ist mir ehrlich gesagt nicht mehr nach ›noch einem Wort‹. So, wie ich Helena kenne, bleibt es nämlich nicht dabei. Trotzdem bleibe ich vor dem Ausgang stehen, ziehe die Träger meines vollgestopften Rucksacks stramm, um anzudeuten, dass ich längst aufbrechen möchte, und drehe mich geduldig zu ihr um.

»Ja?«

»Romina Rajek. Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?«

Einen Augenblick denke ich an meine Ex - und daran, wie wir uns vor einem halben Jahr in aller Öffentlichkeit getrennt haben - nur um hinter geschlossenen Türen trotzdem hier und da zu vögeln. Der Sex ist gut. Die Beziehung war es nicht.

»Nope«, erwidere ich und ploppe das P.

»Warum war sie dann dieses Wochenende hier?«

»Keine Ahnung. Schätze, sie steht auf Rennfahrer?«

»Kai!«

»Helena!«

Sie atmet tief durch. Schließt dabei sogar ihre Augen. Ich muss ihr gerade wirklich den lezten Nerv rauben.

»Falls ihr wieder zusammen seid, dann muss ich das wissen. Ich habe kein Problem damit, sie als unseren Gast begrüßen zu dürfen, da sie dank ihres Instagram-Accounts viel Publicity mit sich bringt. Doch ich ... sie ist ein Drama-Magnet, K. Und ist es nicht meine Aufgabe, dich vor so was zu bewahren?«

»Nope«, sage ich wieder und unterdrücke den Drang, ihr den Kopf zu tätscheln. »Deine Aufgabe ist es, mich vor mir selbst zu bewahren.«

Einschließlich vieler schlechter Entscheidungen.

»Und das mache ich nicht, indem ich dich vor Romina warne? Sie kann so problemlos zerstören, was du dir derart mühsam aufgebaut hast.«

»Was meinst du, wieso wir nicht mehr zusammen sind? Mir ist bewusst, dass ich mit ihr abrutschen könnte. Keine Sorge, ich halte mich zu hundert Prozent fern von ihr.«

»Okay, angenommen ich glaube dir. Was hat sie dann in der Nähe von Aurelia gemacht?«

»Sich verlaufen?«

»Kai!«

»Mich hat sie dort jedenfalls nicht gesucht.«

Nein, denn mich hatte sie schon lange davor gefunden ... was nicht sonderlich schwer gewesen ist, da ich ihr die Adresse zu meinem Hotel für einen Booty-Call geschickt hatte. Ich meine, wenn sie schon im gleichen Land unterwegs ist, wie ich ...

Helena mustert mich skeptisch.

»Sei vorsichtig, K. Sonst setzt du alles in den Sand.«

»Auf die Idee würde ich niemals kommen, H.«

»Hm.«

»Ehrlich. Komm schon, du hast noch nie jemanden betreut, der vor der Kamera so perfekt auftritt, oder? Ich hab alles im Griff.«

Ich weiß, dass ich recht habe. Schließlich bemühe ich mich nicht umsonst seit Jahren darum, ein astreines Image zu wahren. Meine Maske sitzt. Immer. Aber es ist nur eine Maske. Und das ist das Problem ... und eventuell auch der Grund, wieso Romina noch immer Teil meines Lebens ist.

Es ist anstrengend, immer perfekt sein zu müssen, und es ist verdammt frustrierend, wenn es mir nicht zu hundert Prozent gelingt. Ich kann meinen Frust nicht beim Fahren rauslassen, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Und ich kann ihn auch nicht mit Alkohol betäuben, weil die gesamte Welt mich beobachtet.

Also bleibt mir für den Frustabbau nur das Leben hinter geschlossenen Türen ... und Romina ist die Einzige, die dort auf mich wartet.

»Ich behalt dich im Blick, Sinclair.« Helena deutet mit Zeige-und-Ringfinger zuerst in ihre und dann in meine Augen. »Und jetzt mach, dass du wegkommst, damit du deinen Flug nach Hause nicht verpasst. Und mach was gegen deine Augenringe, nächste Woche stehen so einige Videos auf dem Plan.«

Ich stelle mich stramm und salutiere.

»Ay, Ay, Miss ›noch ein Wort‹.«

*

Die Tage eines Rennfahrers laufen in ihrem eigenen Tempo ab. Vor allem vor und nach Grand-Prix-Wochen, verfliegt sie nahezu, weil man von einem Termin zum nächsten hechten muss. Umso dankbarer bin ich, dass ich schon wenige Stunden später ungestört und in völliger Stille unter dem heißen Wasserstrahl meiner eigenen Dusche stehe. Es ist meine dritte an diesem Tag. Auch wenn ich die klebrigen Überreste des Champagners noch in Deutschland von mir waschen konnte und theoretisch keine weitere Dusche gebraucht habe, begrüße ich diese Minuten nur für mich.

Außerhalb des Bads wartet die Welt auf mich. Natürlich nicht im wörtlichen Sinne, aber wenn man alleine lebt, dann ist es wirklich schwer, auf sein Handy zu verzichten. Und nach so einem erfolgreichen Tag wie heute ... nun, steckt die Welt eben in diesem Gerät. Sämtliche Sportseiten berichten bereits in Ausführlichkeit von dem Rennen. Profis und Laien analysieren unsere Strategien und selbstverständlich wartet auch das ein oder andere Meme von einem darauf, entdeckt zu werden. Yay. Sobald ich daher mein Telefon in den Händen halten werde, wird es mit meiner spärlichen Me-Time vorbei sein und noch bin ich nicht dazu bereit, mich von ihr zu verabschieden. In einigen Stunden schon stehen die nächsten Termine an. Eine Team-Nachbesprechung in der Werkstatt, wo auch etwa zweitausend Autogrammkarten darauf warten, signiert zu werden.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und versuche nicht an die Arbeit zu denken, während das heiße Wasser auf meine nackte Haut trifft.

Klar liebe ich meinen Job und ich kritzele bereitwillig auch noch auf die millionste Cap meinen Namen und meine Fahrernummer. Doch ich hab schon so wenig Zeit für mich. Da möchte ich dann auch einfach nur ... ich selbst sein.

Das Wasser ist bereits kalt, als ich mich endlich dazu entschließe, aus der Dusche zu steigen. Meine Beine würden mich am liebsten direkt ins Bett tragen, doch mein Magen protestiert mit einem lauten Knurren. Damit erinnert er mich daran, dass ich heute dank Rominas semi-spontanem Hotelbesuch, eine Mahlzeit ausgelassen und eine Extra-Session an Sport eingelegt habe.

Ich stecke daher, nachdem ich mich in dieselbe Jogginghose und denselben Sweater geworfen habe, meinen Kopf in meinen Kühlschrank.

Verdammt spärlich, das heutige Angebot im Hause Sinclair.

Ich bin so gut wie nie zu Hause, weshalb im Innenraum bis auf ein paar abgelaufenen Joghurts Leere herrscht. Verstimmt entscheide ich mich für einen, der nur drei Tage über dem Mindesthaltbarkeitsdatum ist.

Nachdem ich sichergestellt habe, dass es sich bei den blauen Stücken darin um Beeren, und nicht um Schimmel handelt, pflanze ich mich auf die Couch. Dann schnappe ich mir die Fernbedienung und schalte den Flachbild-TV mir gegenüber an der Wand an.

Aus Gewohnheit wechsele ich direkt zu CCSports, um mich von der Berichterstattung verschiedener Sportergebnisse berieseln zu lassen, auch wenn mich das Meiste davon tatsächlich nicht interessiert. Mein Herz schlägt für schnelle Autos. Mit Kontaktsport jeglicher Art kann ich allerdings nichts anfangen. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, wieso ich dem Banner, der am unteren Teil der Sendung eingeblendet wird, gar keine Aufmerksamkeit schenke. Stattdessen kratze ich hochkonzentriert auch das letzte bisschen Joghurt aus meinem Becher.

Und o Wunder, ich habe immer noch Kohldampf.

Frustriert stöhne ich auf. Bevor ich jedoch sündige und zusätzliche Kalorien zu mir nehme, für die mein Fitness-Trainer mir den Hals umdrehen würde, schnappe ich mir mein Handy, um meinen Kopf auf andere Gedanken zu lenken.

Seit ich in meinem Apartment angekommen bin, war ich nicht mehr an meinem Telefon, weswegen es mich nicht überrascht, dass mein Sperrbildschirm vor Nachrichten überquellt. Kurz ziehe ich in Erwägung, sie nach und nach zu ignorieren, als mein Blick auf eine SOS-SMS von Theo, meinem besten Freund fällt. Ohne darüber nachzudenken, dass wir weit nach Mitternacht haben, klingele ich bei ihm durch. Eine SOS-Nachricht ignoriert man schließlich nicht - schon gar nicht, wenn sie von Theodore DuChamp stammt.

Theo nimmt nach dem ersten Klingeln ab.

»Alter, na endlich! Ich dachte schon, du bist tot umgekippt!«

»Warum sollte ich tot umkippen?«

»Ähm, darum? Ist die angemesse Reaktion auf ... Moment, was heißt hier ›warum sollte ich tot umkippen? Sag mir nicht, dass du es noch nicht gesehen hast!«

»Was habe ich noch nicht gesehen?«

»Mann, Kai! Wie kannst du so berühmt sein, dass deine Grimasse auf meiner verdammten Engery-Drink Dose klebt, und trotzdem derart keinen Plan von dem haben, was abgeht? Patrick Charkow hat seinen Rücktritt von Sterling Voltage bekanntgegeben!«

Er hat was?

*************

Hi! Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim ersten Kapitel von NKTW! Über Votes und Feedback, Mitfiebern und all das, freue ich mich natürlich sehr, denn es ist auch für mich immer ein Fest, ein neues Kapitel auf Wattpad hochladen zu dürfen, weil ich die Geschichte quasi ebenso entdecke, wie ihr. :) Bis zum nächsten Kapitel (hoffentlich :))


 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Not Kissing the Wall (Kapitel 2)

Camille Ich liebe meine Familie. Ich liebe das Leben, das sie mir ermöglichen. Liebe die Privilegien, die der Name DuChamp mit sich...

 
 
 
Klappentext: (Not) Kissing the Wall

Er muss gesehen werden. Sie darf nicht länger unsichtbar bleiben. Zwei Legenden. Siebenfache Konstrukteursmeister. Kein Wunder, dass das...

 
 
 

Kommentare


bottom of page